In Deutschland kaum beachtet, ist Walmart in den USA ein ebenso gewaltiges „Dickschiff“ wie Amazon. Der eine dominiert den Onlinehandel, der andere beherrscht den Retail-Markt. Die Grenzen verschwimmen jedoch zunehmend, denn längst kämpfen beide Unternehmen um die gleiche Kundschaft und sind auf den gleichen „Schlachtfeldern“ unterwegs.
- Amazon und Walmart sind zwei der größten Händler (bzw. Handelsunternehmen) der Welt und stehen seit einigen Jahren in direkter Konkurrenz.
- Während Amazon den Onlinehandel mit Abstand dominiert, hat Walmart eindeutig die Nase vorn im Offline-Bereich.
- Beide Unternehmen sind eine Art Marketplace, auf dem diverse Markenprodukte von Drittanbietern und eigene Marken angeboten werden.
- Amazon und Walmart bauen ihr Geschäftsfeld stetig aus, um neue Märkte und Kund:innen zu gewinnen.
- Der Wettbewerb zwischen beiden Konzernen wird zukünftig immer stärker zunehmen, da beide in die originären Märkte des jeweils anderen eindringen.
Walmart hatte über 30 Jahre Vorsprung vor Amazon
Schaut man auf die Gründungsjahre, so klafft hier eine erstaunliche Vorsprungslücke, die Walmart sehr spät (vielleicht zu spät) für sich genutzt hat. Im Jahr 1962 wurde die Supermarktkette gegründet. Jeff Bezos gründete Amazon erst 32 Jahre später und kämpft mit Walmart aktuell bereits auf Augenhöhe bzw. hat den Retail-Giganten im Onlinegeschäft um Längen überholt. Ein Dritteljahrhundert konnte Walmart seine Kassen füllen und hätte auch viel früher in den aufkommenden E-Commerce investieren können. Es musste allerdings erst ein Jeff Bezos in Seattle vormachen, was die großen Bestandskonzerne (auch und vor allem in Deutschland) so lange verschlafen haben.
Dennoch klafft eine nicht unerhebliche Lücke zwischen Walmart und Amazon. Der Online-Gigant beschäftigt knapp 600.000 Mitarbeiter:innen weltweit und verfügt über ein Eigenkapital von gut 43 Milliarden US-Dollar. Walmart dagegen zählt 2,2 Millionen eigene Mitarbeiter:innen und ein Eigenkapital von knapp 80 Milliarden US-Dollar und hat damit in beiden Punkten deutlich die Nase vorn. Obwohl Walmart sehr in den Onlinehandel investiert und hier stark wächst (40 % Wachstum von 2017 zu 2018), dominiert Amazon diesen Bereich nach wie vor deutlich. Circa 50 % aller Online-Einkäufe in den USA werden auf Amazon abgewickelt – hier ist Walmart meilenweit dahinter. Interessanterweise begann dieser Konkurrenzkampf mit einer geplanten Partnerschaft Mitte der 90er-Jahre, die allerdings nie zustande kam.
Innovation und Kundenfokus: Amazon hat die Nase vorn
Wer im E-Business und selbst im Retail bestehen will, der muss in Wachstum und Innovation investieren. Sowohl Walmart als auch Amazon tun genau das bereits seit Jahren und überschlagen sich manchmal regelrecht mit innovativen, neuen Ideen. Während Amazon als Online-Büchershop angefangen hat, ist das Unternehmen längst mit Amazon Go und dem FBA-Programm in Offline- und sogar Logistik-Bereiche eingedrungen. Walmart dagegen startete als klassischer Retailer und kämpft sich immer weiter in den Online- und ebenso in den Logistikmarkt hinein. Erst kürzlich kündigte Walmart an (Bericht von CNN Business), ca. 1.500 neue Roboter in seinen lokalen Geschäften zu installieren, um damit Abläufe zu optimieren und menschliche Arbeitskraft (und damit auch Kosten) zu reduzieren.
Aber auch in den Amazon-Versandzentren werden immer mehr maschinelle Automationen dank Amazon Robotics installiert. Zudem hat Amazon längst den Sprung ins Offline-Geschäft mit eigenen, beinahe automatisierten Supermärkten erfolgreich bestritten. Zwar sind die aktuell 17 Amazon-Supermärkte im Vergleich zu den tausenden Stores von Walmart nicht einmal ansatzweise ein Tropfen auf dem heißen Retail-Stein, dennoch hat Amazon das Kapital, die Mitarbeiter:innen, die Produkte und sogar die Logistik, um genau das weiter auszubauen und damit noch stärker in den originären Markt von Walmart einzudringen. Auch Innovationen wie die Amazon Prime Wardrobe sind deutliche Schritte Richtung Verknüpfung von Online- und Offline-Geschäft und bedeuten gleichzeitig mehr Druck für Walmart, gleichzuziehen oder besser zu sein.
Amazon punktet mit eigener Cloud
Ein weiterer entscheidender Meilenstein, der Amazon von Walmart trennt, sind die Amazon Web Services (kurz AWS). Auf der eigenen Cloud-Plattform laufen sogar die Services von Netflix, Pinterest, Dropbox und Tinder. Nicht nur innovativ, sondern auch hochprofitabel ist dieser Geschäftsbereich, den Amazon in den letzten Jahren vorangetrieben hat.
Ein weiterer Pluspunkt für Amazon ist die starke Kundenzentrierung. Alles, was der E-Commerce-Gigant plant, umsetzt oder verändert, ist auf die Konsument:innen ausgerichtet. Amazon behauptet von sich selbst, das kundenfreundlichste Unternehmen der Welt zu sein, und laut dem „American Customer Satisfaction Index“ (kurz ACSI) ist es mit 82 % und damit der zweithöchsten Bewertung beinahe auch. Kundenzentriert arbeitet auch Walmart, erreicht laut ACSI im Jahr 2018 aber nur eine Gesamtbewertung von 74 %. Damit kann man sagen, dass Amazon im Vergleich zu Walmart nicht nur innovativer, sondern auch kundenfreundlicher aufgestellt ist.
Digitales Wachstum und Logistik – Auch hier gewinnt Amazon gegen Walmart
Obwohl beide Unternehmen in den letzten Jahren enorme Investitionen in E-Business und Logistik gesteckt haben, hat auch in diesem Bereich Amazon klar die Nase vorn. In puncto Retail-Reichweite ist natürlich Walmart mit über 11.000 lokalen Geschäften deutlich führend und dominiert diesen Markt. Bis 2021 will Amazon allerdings seine Go-Supermärkte auf 3.000 Stores ausbauen. Das ist zwar nach wie vor im Vergleich zu Walmart gerade ein Drittel, allerdings reden wir hier von einem originären Online-Pure-Player, der zum Retailer mutiert.
Schauen wir auf das digitale Wachstum, dann entwickelt sich Amazon hier in Sachen Umsatz und Reichweite deutlich schneller, wenngleich Walmart ebenfalls stetig steigende Online-Umsätze verzeichnet und große Anstrengungen unternimmt, hier mit Amazon Schritt zu halten. In Verbindung mit der eigenen Cloud (AWS) und den immer stärker wachsenden Advertising-Budgets, die Marken und Onlinehändler:innen in Amazon investieren, wird es Walmart hier verdammt schwer haben, dies aufzuholen bzw. dranzubleiben.
Speziell im Bereich Performance Marketing (CPC-Modell) und Programmatic Advertising (CPM-Modell) jagt Amazon sogar Google und Facebook immer mehr Geschäft ab und wächst rasant. Mit Amazon Pay verknüpft Amazon zudem den Marketplace und klassische Webshops, die fortan Amazons eigene E-Payment-Lösung für „externe“ Verkäufe nutzen können.
Wie bereits erwähnt, hat Walmart die deutlich höhere Reichweite im Retail-Bereich. Laut CNBC plant Walmart einen massiven Ausbau seiner „Pickup-Stores“. Walmart-Kund:innen haben damit die Möglichkeit, ihre Produkte online zu bestellen und in einer FedEx-Filiale in ihrer Nähe abzuholen. Noch in diesem Jahr soll die Anzahl solcher Pickup-Stationen auf über 3.000 Stück ausgebaut werden. Ein cleverer Schachzug von Walmart, denn so bindet und gewinnt das Unternehmen auch Kund:innen, die kein lokales Ladengeschäft in ihrer Nähe haben und damit vielleicht zu Amazon abgewandert wären.
Amazon vs. Walmart – es bleibt spannend
Dass sich ein 30 Jahre später gegründetes und damals kleines, digitales Büchergeschäft heute mit einem der größten Handelsunternehmen in den USA (und gemessen an Umsatz, Mitarbeiter:innenzahl und Reichweite auch weltweit) messen kann, ist per se schon beeindruckend.
Dennoch darf man auch die schlafenden Riesen nicht unterschätzen, denn Walmarts Kriegskassen sind gut gefüllt und deren Kundenreichweite und -akzeptanz nach wie vor enorm hoch. In einigen Bereichen wie Cloud, Logistik oder Online-Reichweite wird es Walmart gegen Amazon zukünftig sehr schwer haben, den Anschluss nicht zu verlieren bzw. ihn überhaupt erst aufzubauen.
Es bleibt spannend zu beobachten, wie zwei so riesige Unternehmen auf sehr hohem, globalem Niveau um Marktanteile und aktuelle sowie zukünftige Kund:innen kämpfen.