Das Behavioral Pricing, zu Deutsch verhaltensbezogene Preisgestaltung, bezeichnet die Anpassung des Preises basierend auf dem Verhalten von potenziellen Nutzer:innen. Behavioral Pricing ist dabei ein relativ neuer Ansatz in der Preispolitik, der nur auf Grundlage einer großen Datenmenge stattfinden kann. Das Verhalten der Nutzer:innen wird dabei auf Grundlage verschiedenster Wege bestimmt. Dabei werden Suchverläufe von Browsern, die Customer Journey und demografische Daten von Profilen auf sozialen Netzwerken gesammelt und analysiert. Damit soll eine möglichst genaue Einschätzung der psychologischen und emotionalen Verhaltensweisen der Nutzer:innen ermöglicht werden.
Dies bietet Händler:innen die Möglichkeit, anhand von Daten der Online-Identität gezielt Preise von Produkten zu erhöhen, bei denen sie wissen, dass die Kaufwahrscheinlichkeit hoch ist.
Grundlage von Behavorial Pricing
Mit der Behavioral-Pricing-Strategie versucht man, eine emotionale Komponente im Entscheidungsverhalten der Nutzer:innen zu berücksichtigen. Denn in der klassischen Preistheorie wird meistens davon ausgegangen, dass sich Kund:innen allein rational aufgrund von Kosten-Nutzen-Vorteilen entscheiden. Dafür müsste aber auch eine vollkommene Übersicht über alle Preise vorherrschen, die so in der Realität aufgrund der Masse von Angeboten nicht existiert.
Jedoch tritt dieser Fall nur selten ein, und Kund:innen verhalten sich meist nicht rational. Sie lassen sich von Größen wie Markenbekanntheit oder ihrem eigenen Kapital auch emotional beeinflussen. Außerdem verhalten sich Kund:innen in ihrem Kaufverhalten nicht immer linear, also folgen nicht dem Schema Kaufinteresse -> Informationssuche -> Kaufentscheidung. Ganz im Gegenteil: Häufig brechen Kund:innen ihre Käufe vor allem im Onlinebereich auch ab und kommen zu einem späteren Zeitpunkt wieder, um diesen abzuschließen.
Das Behavioral Pricing rückt die emotionalen, psychologischen und kognitiven Faktoren in den Mittelpunkt und versucht, den Entscheidungsweg für ein Produkt bzw. für den Preis der einzelnen Konsument:innen zu verstehen.
Wie funktioniert Behavioral Pricing?
Das Behavioral Pricing ersetzt die klassischen Preis-Modelle nicht, sondern erweitert dieses Modell. Dabei wird von Beginn an davon ausgegangen, dass die Entscheidung viel komplexer ist als ursprünglich angenommen und mehrere Aspekte in die Entscheidungen mit eingebunden werden. Dabei wird zum Beispiel hinterfragt, wie Kund:innen Preisinformationen aufnehmen, darauf reagieren und wie sie diese Informationen nutzen und verarbeiten. Das Behavioral-Pricing-Prinzip basiert auf einem Reiz-Reaktionsschema. Dabei erhalten die Kund:innen einen Stimulus oder Reiz, den sie verarbeiten und subjektiv beurteilen. Nach dieser Beurteilung auf Basis von unterschiedlichen Faktoren folgt eine Reaktion, wie zum Beispiel ein Kauf oder ein Kaufabbruch.
Die drei Phasen der Preisinformation beim Behavioral Pricing
In der Regel gibt es drei Phasen, die im Behavioral Pricing aus Kund:innensicht relevant sind.
1. Das ist zum einen die Preisinformationsaufnahme, diese findet immer zuerst statt. Bei der Preisinformationsaufnahme nehmen Kund:innen alle Informationen bezüglich des Preises eines Produkts auf. Sie schauen sich die verschiedenen Angebote an, die unterschiedlichen Ausstattungsmerkmale sowie Vor- und Nachteile der Produkte und nehmen vielleicht Bewertungen wahr, um eine möglichst objektive Ausgangslage zu schaffen.
2. Im nächsten Schritt kommt es zur Preisinformationsbeurteilung. In dieser Phase sind die subjektiven Empfindungen von Bedeutung. Alle vorher nur aufgenommenen Informationen werden jetzt beurteilt und interpretiert. In dieser Phase werden auch persönliche Informationen wie das Kapital oder eine Tendenz zu bestimmten Marken berücksichtigt.
3. In der dritten Phase, der Preisinformationsreaktion, wird eine Entscheidung von Kund:innen getroffen. Im Optimalfall ist dies ein Kauf, es kann aber auch zu einem Kaufabbruch oder lediglich zu einem Kaufaufschub kommen. Sobald der Kauf nur aufgeschoben wird, startet der Prozess im Grunde neu.
Funktionsweise von Behavioral Pricing am Beispiel Amazon aus Kundensicht
Ein:e potenzielle:r Käufer:in ist auf der Suche nach einem neuen Produkt, in diesem Beispiel nach einem Regenschirm. Dafür wird die Amazon-Suche genutzt, um verschiedene Angebote, Preise sowie Vor- und Nachteile zu vergleichen. Im nächsten Schritt werden die verfügbaren Optionen subjektiv bewertet. Beispielsweise könnte ein Regenschirm mit Muster besonders ansprechend sein, weil die Optik aufgrund einer guten finanziellen Lage wichtiger ist als kleinere Preisunterschiede. Abschließend folgt die Entscheidung. In diesem Fall wird das Angebot zunächst aufgeschoben. Nach einigen Tagen erfolgt eine Rückkehr zum ursprünglichen Angebot, wobei ein leichter Preisanstieg bemerkt wird. Schließlich wird der Kauf abgeschlossen, da ein weiterer Anstieg des Preises erwartet wird.
Funktionsweise von Behavioral Pricing am Beispiel Amazon aus Händlersicht
Als Händler:in bei Amazon hast du die Möglichkeit, dir zu deinen Produkten Kennzahlen wie Klicks und den Traffic anzuschauen. Über diese hast du die Möglichkeit, die Reaktion auf die Preise abzuschätzen. Dies wird besonders deutlich an einem Beispiel: Ein:e Händler:in verkauft Regenschirme mit Muster. Der Preis ist bei 9,99 € angesetzt. Nun beobachtet er:sie für eine Weile die Kennzahlen sowie die Preise der Konkurrenz und bemerkt, dass er:sie gut verkauft, allerdings auch deutlich günstiger ist als die Konkurrenz. Daraufhin möchte der:die Händler:in den Preis und damit die Marge erhöhen und setzt den Preis auf 11,99 €. Daraufhin verändern sich die Klicks und Käufe in diesem Beispiel kaum, und er:sie möchte den Preis nochmal erhöhen und setzt den Preis auf 13,99 €. Dies beobachtet er:sie für einige Tage, bemerkt jedoch, dass weniger Kund:innen den Regenschirm aufrufen oder zur Seite zurückkehren, und setzt den Preis daraufhin wieder runter. So hat er:sie nicht den bestmöglichen Preis, allerdings den optimalen Preis, bei dem der:die Händler:in bei einer gleichzeitig hohen Marge viel verkaufen kann.
Eine Anpassung auf jede:n einzelne:n Kund:in ist bei Amazon nicht möglich, da kein Aufschluss darüber gegeben werden kann, wie oft ein:e einzelne:r Kund:in das Produkt aufgerufen hat.
Bedeutung von Behavioral Pricing für die Suchmaschinenoptimierung
Da es beim Behavioral Pricing darum geht, die Entscheidung der Kund:innen mithilfe von persönlichen Daten und dem Online-Verhalten nachvollziehen zu können, können jegliche gesammelten Daten eingesetzt werden, um das bestmögliche Ergebnis, also einen Kauf mit einer möglichst hohen Marge, zu erzielen. Alle Daten, die über das Verhalten der Kund:innen online gesammelt werden, können genutzt werden, um den optimalen Preis zu bestimmen.
Noch ist nicht klar, ob der Behavioral-Pricing-Ansatz langfristig positive Folgen hat, da Kund:innen sich durch eine Veränderung des Preises auch für ein anderes Produkt entscheiden könnten. Denn aus Kund:innensicht ist Behavioral Pricing ein Nachteil. Für Händler:innen jedoch können durch die Beobachtung der Preise der Konkurrenz und durch die Beobachtung des Verhaltens der Kund:innen neue Möglichkeiten der Preisgestaltung entstehen, welche als ein Wettbewerbsvorteil genutzt werden können.